Als ich ganz am Anfang meiner Kaffeereise stand, bin ich auf die 5-M-Regel der Espressozubereitung gestossen.
Die Espresso-5-M-Regel wurde einst in Italien für den traditionellen Espresso definiert und stehen für Miscela (Mischung), Macinatura (Mahlung), Macchina (Maschine), Manutenzione (Pflege) und Mano (Hand).
In diesem Blogbeitrag möchte ich dir diese aufzeigen, sodass du einen guten Startpunkt für deine Kaffeereise bekommst – so wie damals ich. Zum Teil hole ich etwas aus und runde die einzelnen M-Kapitel mit Extra-Wissen meinerseits ab.
1. Miscela (Mischung)
Schokoladig und nussig, aber auch holzig und erdig mit milder (Frucht-)Säure, viel Körper und mit dichter Crema. So könnte ein italienischer Espresso beschrieben werden. Um diesen Geschmack zu treffen, werden oft Arabica- und Robusta-Bohnen dunkel bis sehr dunkel geröstet. Das war jetzt sehr rudimentär erklärt.
Eine Mischung muss nämlich nicht stets die beiden Kaffeearten Arabica und Robusta beinhalten. Bei einer 100% Arabica-Mischung können die Bohnen aus verschiedenen Anbauländern gemischt werden. Dasselbe gilt für Robusta, auch wenn das nur selten der Fall ist und eher in Süditalien anzutreffen. Dies aus eigener Erfahrung.
Also spielen die Geschmacksgewohnheiten (aber auch der Preis) eine zentrale Rolle, wie gemischt und geröstet wird. Tendenziell wird in Norditalien mehr Arabica konsumiert und heller geröstet als in Süditalien.
Arabica-Bohnen können im Aroma vielseitiger sein (fruchtig, blumig, schokoladig, nussig, usw.) und haben tendenziell eine intensivere Säure. Robusta-Bohnen sind im Vergleich einseitiger und bringen dafür mehr Bitterstoffe und eher kräftige, erdige, holzige und würzige Noten mit. Robusta ist im Espresso auch für mehr Crema verantwortlich und besitzt im Schnitt doppelt so viel Koffein wie Arabica.
Beide Kaffeearten bringen spannende Eigenschaften mit, die zusammen oft einfach gut zusammenpassen.
Extra-Wissen: Hier passt auch das M wie Mono-Origine (Sortenrein)
Passend zur heutigen Specialty-Bewegung, in der viele Kaffeeliebhaber:innen den Kaffee zelebrieren und auch mehr über die Herkunft erfahren wollen, kommen sortenreine Kaffees ins Spiel (auf Italienisch mono origine oder Englisch single origin). Mit dem traditionellen Espresso aus Italien haben sortenreine Kaffees wenig zu tun. Tatsächlich wird ein solcher Kaffee von Traditionalisten als sauer empfunden.
Aber was genau soll sortenrein überhaupt bedeuten? Die Frage ist, wie weit die Rückverfolgbarkeit geht. Heute werben immer mehr Industrie-Röster mit sortenreinen Kaffees und wollen somit den Grundprinzipien "Rückverfolgbarkeit und Transparenz" der Specialty-Szene nachgehen. Bei solchen Kaffees wird oft nur das Anbauland angegeben, während "kleinere" Röster mehr über die Herkunft erzählen. Da sind Angaben und Geschichten über den Produzenten zum Standard geworden.
2. Macinatura (Mahlgrad)
Der typische Mahlgrad für Espresso wird als "fein" bezeichnet. In diesem feinen Bereich spielt man so lange mit dem Mahlgrad, bis ein Espresso zwischen 20 und 30 Sekunden extrahiert werden kann.
Gemahlen wird immer frisch (also immer ganze Bohnen kaufen), damit die meisten Aromen in die Tasse gelangen und noch ausreichend CO₂ vorhanden ist, damit die klassische Crema beim Espresso überhaupt entstehen kann.
Benutze eine Kaffeemühle mit Scheiben- oder Kegelmahlwerk, die für Espresso gebaut wurde. Die Mahlung soll möglichst gleichmässig sein und nicht allzu stark erwärmt werden. Ein Mahlwerk mit Schlagmesser mahlt zu ungleichmässig und erhitzt das Mahlgut zu stark. Mit hohen Ungleichmässigkeiten im Mahlgut lassen sich keine ausbalancierten Espressi brühen. Bei zu hoher Wärme (zwischen 35-40°C) können die empfindlichen Aromen schneller verloren gehen.
Wahrscheinlich hast du schon mitbekommen, dass das Mahlwerk wichtiger ist als die Espressomaschine. Es ist nicht ungewöhnlich, dass im Haushaltsbereich ein Mahlwerk fast so teuer oder sogar teurer ist als eine Espressomaschine.
Extra-Wissen: Mahlgrad für den Café Crème
An der Bar in Italien bestellst du einen Kaffee (un caffè) und bekommst einen Espresso. In der Schweiz bekommst du mit demselben Code-Wort einen Café Crème. Stell dir das Gesicht eines Italieners vor, wenn er das erste Mal seinen Kaffee in der Schweiz serviert bekommt...
Will man einen Café Crème brühen, dann muss man den Mahlgrad etwas gröber als für Espresso einstellen. Die Brühzeiten liegen hier oft zwischen 25 und 35 Sekunden. Deshalb stehen in Schweizer Cafés oft zwei Kaffeemühlen im Einsatz. Ist doch nur eine Kaffeemühle da, dann bestelle einen Americano (ein oder zwei Espressi mit Hinzugabe von heissem Wasser). Einen Espresso, der über eine Minute extrahiert wurde, um die Tasse zu füllen, lehnst du einfach ab.
Streng genommen müsste man auch für ein Ristretto oder einen Lungo den Mahlgrad anpassen, da es sich um verschiedene Getränkearten handelt. In der Praxis übernimmt man jedoch oft den Espresso-Mahlgrad, was meistens auch in Ordnung ist.
3. Macchina (Maschine)
Die Espressomaschine oder die Siebträger-Maschine, die die berühmten 9 bar Druck für die Herstellung von Espresso erreicht, wurde 1948 von Achille Gaggia als Handhebel-Version auf den Markt eingeführt. Seit 1961, mit der Einführung der Faema E61-Brühgruppe, wurde die Siebträger-Maschine erstmals mit einer elektrischen Pumpe verwendet.
Eine Espressomaschine soll im Optimalfall während des Brühvorgangs genügend Druck (9 bar) erzeugen können und eine Brühtemperatur zwischen 88-96°C erreichen und halten.
Extra-Wissen: M wie Menge
Die Parameter wie Pumpendruck und Brühtemperatur lassen sich bei manchen Siebträger-Maschinen anpassen. Was du aber immer anpassen kannst ist die Menge. Dafür musst du auf die Siebgrösse achten. Ein 17g-Sieb könntest du zwischen 15,5-18,5g füllen. Die tatsächliche Menge hängt primär vom Röstgrad deines Kaffees ab. Je dunkler, desto kleiner wird die Menge sein, da der Kaffee durch die längere Röstung mehr "aufgegangen" ist und dadurch mehr Volumen einnimmt. Der nächste Faktor wird dein gewähltes Brührezept sein, das du nach deinem Geschmack definierst. Das Brührezept besteht aus drei Parametern: Pulvermenge (IN), Tassenmenge (OUT) und Brühzeit (Sekunden).
Beispiel für eine dunkle Mischung mit Robusta-Anteil mit einem 17g-Sieb:
IN: 16g / OUT: 32g / 24-27 Sekunden
Oft wird auch der Begriff "Brühverhältnis" (oder Brew Ratio auf Englisch) verwendet. In diesem Fall wähle ich ein Brühverhältnis von 1:2 (16g/32g), was auch als Espresso-Brühverhältnis definiert wird und oft als guter Startpunkt beim Einstellen gilt.
Wozu braucht man überhaupt Rezepte wie beim Kochen und Backen?
Es geht um die Reproduzierbarkeit der Qualität in deiner Tasse. Das erreichst du, indem du die Kontrolle übernimmst und weisst, welche Parameter beim Einstellen anzupassen sind. Mit etwas Erfahrung wirst du schneller und mit weniger Verschwendung das gewünschte Resultat erzielen. Wer zu Hause nach Augenmass ohne Rezept arbeiten möchte (in Italien sagt man "a occhio"), kann das gerne tun – es kann funktionieren, solange dir der Espresso schmeckt. Wichtig ist nur, dass du den Siebträger nicht überfüllst, denn das beeinträchtigt den Geschmack und kann die Espressomaschine beschädigen.
Für den traditionellen Espresso sind die 7g und 14g Pulvermenge sehr verbreitet. Die Menge in der Tasse ist kurz bis sehr kurz. Das funktioniert seit einem halben Jahrhundert gut und wird weiter funktionieren, solange am System nicht allzu viel geändert wird: dunkle bis sehr dunkle Mischungen, Kaffeemühlen mit Dosierkammer (italienisch dosatore) und ganz wichtig, die entsprechenden Siebgrössen.
4. Manutenzione (Pflege)
Mit seiner Vielzahl an Aromen (über 1000) ist Kaffee komplexer als Wein (rund 400). Kaffee kann aber auch so ranzig wie Olivenöl werden. Denn Kaffeebohnen bestehen aus vielen ätherischen Ölen. Alte Kaffeereste in der Espressomaschine und in der Kaffeemühle werden durch Wärmeinfluss ranzig und beeinflussen den Geschmack des frisch gebrühten Espressos erheblich. Alle deine Bemühungen, den Espresso richtig einzustellen, werden nutzlos sein, wenn du deine Werkzeuge nicht pflegst und reinigst.
Es gibt tatsächlich Leute, die glauben, dass das Reinigen den gewohnten Geschmack verschlechtert. Diese Leute brühen lieber mit verkrusteten Brühduschen, Sieben und Siebträgern. Das kann ich niemals verstehen!
Reinige deine Espressomaschine regelmässig basierend auf deinen Trinkgewohnheiten. Um dir eine Vorstellung davon zu geben: Ein Café, das 150 Espressi/Cappuccini täglich brüht, reinigt die Brüheinheit, den Siebträger, die Siebe und die Maschine mindestens einmal täglich (auch wenn viel weniger gebrüht wird, muss per Lebensmittelgesetz täglich gereinigt werden). Viele Espressomaschinen für den Haushalt lassen sich entkalken, während andere dies nur bei einem Service ermöglichen.
Die Mahlscheiben sollten alle 4-5 kg mit Reinigungspulver (oder Tabletten) entfettet werden. Kaffeereste mit einem Handstaubsauger zu entfernen, kann nie schaden. Was aber nach Ladenschluss getan werden sollte, ist die restlichen Kaffeebohnen aus dem Bohnenbehälter zu entleeren und diese in einem Behälter (oder der Kaffeepackung) vor weiterer Oxidation und Aromaverlust zu schützen. Das gilt natürlich auf für zu hause. Ich fülle beispielweise den Bohnenbehälter nur mit der Menge, die ich trinke. So kannst du die Qualität in der Tasse kontrollieren und vor allem Anpassungen an deiner Mühle sind selten nötig.
Extra-Wissen: Zuerst beobachten, dann entscheiden!
Stell dir vor, du könntest einen Blick in die Küche werfen, bevor du dein Essen bestellst, und sehen, wie sauber die Kochutensilien sind und wie die Köche arbeiten. Dieses Szenario ist in der Praxis selten möglich. Doch der Barista, die Espressomaschine und die Mühle sind meistens gut sichtbar.
Bevor du deinen Espresso oder Cappuccino bestellst, wirf einen kurzen Blick auf die Dampflanze und den Bohnenbehälter. Wird die Brühgruppe gespült? Werden Tücher für Siebträger, Dampflanze und Arbeitsoberfläche klar voneinander (farblich) getrennt und werden diese auch so eingesetzt? Werden Milchreste aus der Dampflanze nach Gebrauch gespült? Eine verkrustete Dampflanze ist für mich ein No-Go und sagt schon alles. Ein Cappuccino streiche ich gleich aus der Liste.
5. Mano (Hand, Mensch)
Die Qualität in der Tasse wird von vielen Faktoren beeinflusst. Die Kunst ist, diese Faktoren zu kennen und das grösste Potenzial aus der Mischung (Kaffee), mit dem richtigen Mahlgrad und den korrekten Einstellungen der (Espresso-)Maschine herauszuholen. Vorausgesetzt, dass die Kaffeemühle und die Espressomaschine korrekt und regelmässig gepflegt und gereinigt werden. Das alles liegt in der Hand des Baristas.
Die Grundlagen der Espressozubereitung sind einfach zu erlernen. Die Frage bleibt, wie weit man selbst gehen und experimentieren möchte. Einige legen Wert auf die Reproduzierbarkeit und benutzen eine Waage sowie andere Barista-Tools, während andere ohne viel "Aufwand" einfach einen Espresso wie vom Barista aus Italien geniessen wollen.
Dennoch bleibt die Espressozubereitung mit einer Siebträger-Maschine die Wahl, die etwas mehr Wissen, Zeit, Geduld und Platz erfordert. Im wahrsten Sinne des Wortes übernimmst du hier meist die volle Kontrolle, im Gegensatz zu Vollautomaten und Kapselmaschinen. In den sozialen Medien bekommt man recht viel mit. Ein Baristakurs kostet zwar etwas, aber er spart dir viel Zeit und du kommst zügiger dank der Interaktion mit dem Coach und individueller Beratung ans Ziel.
Die Espressozubereitung mit einer Siebträger-Maschine wirkt beruhigend. Sie bringt etwas Entschleunigung in die heutige hektische Zeit und hat etwas Meditatives. Für Aussenstehende mag es nach viel Aufwand für eine Tasse Kaffee aussehen. Selbstgebackenes Brot schmeckt auch besser, oder etwa nicht?
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